Ayurvedische Strategien bei Hautentzündungen

Review zweier klinischer Untersuchungen

Artikel von Marco Lebbing, Facharzt für Allgemeinmedizin und Medizinischer Ayurveda-Spezialist

Hautentzündungen mit Juckreiz (Ekzeme) sind sowohl für den Patienten als auch den Therapeuten lästige Erkrankungen. Erstere leiden unter den chronischen und häufig wiederkehrenden Symptomen, welche nicht selten eine zusätzliche psychische Belastung bedingen. Therapeutisch stellen fehlende grundlegende Behandlungsansätze bzw. frustrane Behandlungen die Therapeuten immer wieder vor Probleme. Schulmedizinisch wird daher oft auf eine lokale Kortisonbehandlung zur symptomatischen Behandlung zurückgegriffen.

Wir möchten an dieser Stelle zwei Arbeiten von Mandip Kaur und H. M. Chandola von der Gujarat Ayurved University vorstellen, die einen ayurvedischen Behandlungsansatz näher untersuchen. In der 2009 in AYU (An international quarterly journal of research in Ayurveda) veröffentlichten Studie „Effect of Shirishadi Decoction and Snuhyadi Lepa on the patients of Vicharchika (Eczema)“ konnten sie eine positive Wirkung lokaler Ölauflagen in Kombination mit einer innerlichen Gabe einer Pflanzenabkochung nachweisen. 2010 folgte die inhaltlich darauf aufbauende Studie „Role of Rasayana in Cure and Prevention of Recurrence of Vicharchika“, die die Auswirkung einer ergänzenden regenerativen und stärkenden (Rasayana) Behandlung auf das Wiederauftreten der Symptome nach Therapie untersucht. Die Verwertbarkeit der Studien ist zwar durch Mängel eingeschränkt, jedoch bieten sie interessante Ansätze für weitere Überlegungen.

Ekzeme – Wie zeigen sie sich?

Schulmedizinisch werden Ekzeme in eine akute und eine chronische Form unterteilt. Die akute Form ist durch Rötung, Schwellung, Bläschenbildung und nässende Sekretion gekennzeichnet. Die chronische Form zeigt eine Hautverdickung, Schuppung sowie Vergröberung der Hautfelderung (Lichenifikation). Die Veränderungen können in den verschieden Stadien einer Erkrankung teilweise überlappend auftreten und gehen mit einem mehr oder minder ausgeprägtem Juckreiz einher. Feingeweblich finden sich Entzündungen der oberen Hautschichten und es besteht oftmals eine allergische Komponente. Dem stellen die Autoren den innerhalb der klassichen Einteilung der kleinen Hauterscheinungen (kshudra-kushtha) verwendeten Begriff „ vicharchika“ gegenüber und führen folgende Beschreibungen aus den drei großen Ayurvedaschriften (brihat-trayi) auf, um die Ähnlichkeiten aufzuzeigen:

  • exessives Jucken (ati-kandu)
  • Entzündung der oberen Hautschichten (bahu-srava oder lasikadhya)
  • Trockenheit (rukshata)
  • Verdickung und vermehrt Pigmentation der Haut (shyava-pidika)
  • Vergröberung des Hautreliefs (raji)

Vicharchika wird von den Autoren als Störung des Blutgewebes (rakta) mit einer Kapha dominierten Beteiligung aller drei Doshas und einer Lokalisation in der Haut (tvak) beschrieben. Als Teil der in den Klassikern beschriebenen Hautveränderungen sehen sie zusätzlich eine chronische Komponente sowie die Neigung zur Verschlechterung im Verlauf (Exazerbation).

Die ayurvedische Therapie

Verwendet wurde eine Abkochung (Dekokt) von sechs Pflanzen zur innerlichen Gabe. Die Autoren wählten, bei fehlenden konkreten Empfehlungen in den klassischen Texten, den Lebbekbaum (shirisha, Albizzia lebbeck), die Thai-Aubergine (kantakari, Solanum xanthocarpum) und die Hemidemuswurzel (sariva, Hemisdesmus indicus), denen sie eine antiallergische Wirkung zuschreiben. Diese ergänzten sie mit den hauttherapeutischen (kushthahara) und juckreizlindernden (kanduhara) Pflanzen Alstonia (saptaparna, Alstonia scholaris), Neembaum (nimba, Melia azadirachta) und Gerber- bzw. Katechu-Akazie (khadira, Acacia catechu). Aus dem zu gleichen Teilen gemischtem, groben Pflanzenpulver wurde eine Abkochung nach klassischem Verfahren hergestellt und den Patienten morgens und abends in einer Dosierung von 30 ml verabreicht.

Da die klassischen Texte eine zusätzliche Behandlung der Lokalisation (sthana) empfehlen, erfolgte eine Ölpackung (snuhyadi-lepa) im Bereich der zuvor mit warmen Wasser gereinigten Hautveränderungen. Diese von Vagbatta in der Ashtanga Hrdaya Samhita beschriebene Anwendung besteht aus Senföl mit Oleander Wolfsmilch (snuhi, Euphorbia neriifolia) und wurde zweimal täglich angewendet

In der zweiten Studie erfolgte zusätzlich zu den oben genannten Maßnahmen eine regenerative Behandlung (Rasayana), wie es der Ayurveda bei chronischen Erkrankungen empfiehlt. Auf Grund beschriebener positiver Effekte in der Behandlung von Nesselsucht (Urticaria) verwendeten die Autoren Guduchi (Tinospora cardifolia) und Bhringaraja (Eclipta alba). Neben ihren gemeinsamen juckreizlindernden, tonisierenden und antioxidativen Effekten wird Guduchi eine antiallergische, immunstimulierende und leberprotektive Aktivität und Bhringaraja eine haarverbessernde, antientzündliche, Ausschlag entgegenwirkende und blutuanreichernde Wirkung zugeschrieben. Die Patienten erhielten 6 g zweimal täglich nach den Mahlzeiten mit Ghee. Klassisch wird eine Reinigung (shodhana) vor einer regenerativen Behandlung empfohlen. Daher erfolgte vor Beginn der Behandlung eine sanfte Darmreinigung (koshtha shuddhi). Hierbei wurde ein Kaltwasserauszug von Aragvadha (Cassia fistula) verwendet und abends vor dem Schlafengehen verabreicht.

Aufbau der Studie und Ergebnisse

Es handelt sich um klinische Studien mit einer achtwöchigen Behandlungsdauer an 46 bzw. 38 Patienten von denen 33 bzw. 31 die Studie beendet haben. In der zweiten Studie erfolgte vor der Behandlung eine achttägige Reinigungsphase. Im Anschluss erfolgte jeweils eine Nachbeobachtung (Follow-up) über zwei Monate. Die Diagnose wurde klinisch nach ayurvedischen und allopathischen Gesichtspunkten gestellt.

Zum Ausschluss sekundärer Ursachen erfolgte eine Untersuchung des Urin und Stuhls und in Verdachtsfällen ein Hautkratztest zum Ausschluss von Pilzerkrankungen. Des Weiteren wurden Patienten mit einer Zuckererkrankung ausgeschlossen. Vor und nach der Behandlung erfolgte eine Blutuntersuchung. Bei ansonsten stabilen Werten konnte in beiden Studien eine deutliche Absenkung der eosinophilen weißen Blutkörperchen nachgewiesen werden, welche u. a. bei parasitären und allergischen Erkrankungen eine Rolle spielen.

Während der Studie wurden wöchentlich die Hauptsymptome beurteilt. Beide Studien konnten dabei ähnliche, bereits in der ersten Woche einsetzende Wirkungen nachweisen. Juckreiz und Hautabsonderungen erfuhren nach Therapie eine Verbesserung um jeweils ca. 95%, vermehrte Hautpigmentation bildete sich um 78% zurück und für die Verdickung der Haut konnte jeweils eine Besserung um 94% in der ersten und 66% in der zweiten Studie gezeigt werden.

Zusätzlich wurden vor und nach dem Behandlungszyklus weitere Symptome und Empfindungen erfasst. Brennende Empfindungen bildeten sich zu jeweils 100% zurück, Hautausschläge konnten um 93 bzw. 98% gesenkt werden, Trockenheit um 97 bzw. 100%, gestörter Schlaf um 97 bzw. 100%, Risse um 66 bzw. 86%, Blutungen um 93 bzw. 84%. Lediglich die Parameter „generelle Erschöpfung und Verstopfung“ wiesen mit 19 bzw. 14 % Verbesserung in der ersten Studie zu 82 bzw. 77% in der zweiten Studie Unterschiede in der Auswertung auf. Alle Ergebnisse wurden als statistisch aussage- kräftig angegeben.

Die Effekte der Behandlung auf die kranken Gewebe (dushya) wurden ebenfalls mittels eines sog. Score erfasst. Hier zeigten die beiden Studien erneut gleichwertige Ergebnisse mit einem Rückgang der Scores für Vata um 68-76%, für Pitta um 92-96%, für Kapha um 62-77%, für die Transport-Räume für Blutplasma, Leukozyten, Thrombozyten (rasavaha) um 28-48%, für die Transport-Räume für „rotes Blut“ (raktavaha) um 77%, für Transport-Räume für das Muskelgewebe (mamsavaha) um 74%, für die Transport-Räume für Schweiß (svedavaha) um 71% und für die Haut (tvak) um 53-59%.

Die Gesamtwirkung wurde nach Therapie mittels folgender Einteilung erfasst. „Komplette Rückbildung“ mit normaler Haut wurde von 6 bzw. 7 Patienten (18-22%) angegeben. Eine „merkliche Verbesserung“ mit 100% Linderung der Symptome und noch leichter Hautverdickung und -pigmentation gaben 14 bzw. 15 Patienten (42-48%) an, 12 bzw. 8 Patienten (25-36%) erfuhren eine „moderate Verbesserung“ mit 50% Symptomlinderung und Verbesserung der Hautverdickung und - pigmentation. Eine „Verbesserung“ mit 50% Symptomlinderung und nur wenig Verbesserung der Pigmentation und Verdickung wurde von jeweils einem Probanden (3%) angegeben. Keinerlei Veränderung erfuhr niemand.

Die Nachuntersuchungen wurden von 20 bzw. 19 Patienten wahrgenommen. Hier konnte die in der ersten Studie nach 2 Monaten noch hohe Rate erneuter Symptome von 80% auf 10% in der zweiten Studie gesenkt werden. Dieser Effekt wird von den Autoren der zusätzlichen Rasayana Therapie zugeschrieben. Die Autoren merken zurecht an, dass der Therapieerfolg durch die gewählte sanftere Reinigung geschmälert sein könnte, da der Ayurveda in ein solchen Fall eigentlich eine möglichst umfassende und intensive Reinigung empfiehlt.

Analyse der Ergebnisse

Die dargestellten Ergebnisse erscheinen zunächst imposant. Jedoch müssen einige Mängel kritisch angemerkt werden. Methodisch sind sicherlich die fehlende Kontrollgruppe und eine zu geringe Fallzahl zu erwähnen. Die verwendeten Kriterien werden nur mangelhaft bis überhaupt nicht beschrieben. Insbesondere die verwendeten Scores werden in keiner Weise erläutert oder transparent gemacht, wodurch ihre Aussagekraft schwer zu beurteilen ist. Es fehlt eine Erläuterung und Begründung der aus der Auswertung herausgefallenen Probanden. Evtl. zusätzliche Maßnahmen wie Empfehlungen zur Ernährung und zum Verhalten, die innerhalb eines achtwöchigen Behandlungsintervalls sicherlich auch Auswirkungen haben können, werden ebenfalls nicht erwähnt.

Nichtsdestotrotz ergeben sich aus dieser klinischen Anwendungsbeobachtung interessante Hinweise. In beiden Studien konnte eine annähernd gleichwertige Besserung der klinischen Beschwerden erreicht und der Therapieerfolg unabhängig voneinander bestätigt werden. Durch die Rasayana- Behandlung konnte ein Wiederauftreten der Symptome für den Zeitraum der Nachbetrachtung deutlich vermindert werden. Dies kann die Sinnhaftigkeit eines Einsatzes bei chronisch oder schubweise auftretenden Erkrankungen unterstützen. Interessant sind die in beiden Studien reduzierten eosinophilen weißen Blutkörperchen. Dies könnte sicher Anlass zu weitergehenden Überlegungen im Hinblick auf eine antiallergische und antiparasitäre Wirkung der verwendeten Präparate geben.

Als Fazit lässt sich eine klare Evidenz der Behandlung aus den vorliegenden Studien nicht herauszulesen, jedoch sollten die erzielten Ergebnisse zu weiteren klinischen Versuchen ermutigen und zu weiteren Überlegungen ermuntern. Insgesamt kann man wohl von einer positiven Wirkung ausgehen, diese sollte aber mittels weiterer verlässlicherer Studien gefestigt werden.

Literatur

1. Ayu -An International Quarterly Journal of Research in Ayurveda
Year : 2009 | Volume : 30 | Issue : 1 | Page : 16-21 Mandip Kaur, HM Chandola, RESEARCH ARTICLE: Effect of Shirishadi
Decoction and Snuhyadi Lepa on the patients of Vicharchika (Eczema)
www.ayujournal.org/temp/Ayu30116-170399_044359.pdf
2. Ayu -An International Quarterly Journal of Research in Ayurveda
Year : 2010 | Volume : 31 | Issue : 1 | Page : 33-39 Mandip Kaur, HM Chandola, CLINICAL RESEARCH: Role of Rasayana in cure
and prevention of recurrence of Vicharchika (Eczema)
www.ayujournal.org/temp/Ayu31133-1716296_044602.pdf

Marco Lebbing

Marco Lebbing

Facharzt für Allgemeinmedizin, studierte Ayurveda-Medizin in Deutschland und Indien und beschäftigt sich mit klassischen europäischen Naturheilverfahren. Vorstandsmitglied der Deutschen Ärztegesellschaft für Ayurveda-Medizin DÄGAM und Mitglied des ärztlichen Beirats an der Europäischen Akademie für Ayurveda.